Inferno – Dan Brown mobbt außergewöhnlich begabte Menschen

Rezension bezieht sich auf

Brown, Dan: Robert Langdon. Bd. 4: Inferno. 1. Aufl. Köln : Lübbe, 2013 – ISBN 978–3–7857–2480–4. http://www.gbv.de/dms/faz-rez/FD1N201305153882874.pdf


Die Zeit, in der die menschliche Weltbevölkerung um eine weitere Milliarde wächst, wird immer kürzer. Die Vereinten Nationen, insbesondere die Weltgesundheitsorganisation, haben diese Entwicklung im Blick und warnen schon seit Jahrzehnten vor den Folgen: Solange wir auf die Erde beschränkt sind und die Fruchtbarkeit über zwei Kindern pro Frau bleibt, so die WHO, wird es auf unserem Planeten rasant eng und unser Ressourcenverbraucht explodiert, bis wir nicht mehr lebensfähig sind. Im Jahr 2100 könnten wir es auf geschätzte 20 Milliarden hungrige und durstige Menschen bringen. Daraus ergibt sich das Trilemma, entweder einen Weg zu finden auszuziehen oder drastisch in unsere Fruchtbarkeit einzugreifen oder zuzulassen, vielleicht sogar zu forcieren, dass etwas anderes uns radikal ausdünnt. Diese Zukunftsaussicht hat Dystopien geboren. Dan Brown ordnet sich mit »Inferno« in diese Reihe ein.

Der Autor schickt Robert Langdon auf die Mission, sich diesem Trilemma zu stellen. Langdon soll ein Professor der Havard Universität für das Fachgebiet Religiöse Ikonologie und Symbologie sein. An dieser renommierten Anstalt forschen und dozieren Koryphäen, zumindest möchte man es so annehmen. Dies sollte auch für einen Professor dieses fiktiven Faches gelten.

Robert Langdon bekommt es bei seinem vierten Einsatz mit einer Schnitzeljagd entlang Dante Aligihieris »Die göttliche Komödie« (»La divina commedia») zu tun. Der Multimilliardär Bertrand Zobrist, ein hyperintelligenter, transhumanistischer Biomediziner, hat diese ausgelegt. Der Wettlauf geht gegen seine Hinterlassenschaft, weil er sich selbst am Anfang des Infernos tötet. Zunächst startet Professor Langdon desolat ins Rennen. Erst mit dem hübschen Dummchen Dr. Sienna Brooks an seiner Seite nimmt die Jagd Fahrt auf – Frau Doktor legt einen IQ von satten 208 auf die Waage. 

Die Geschichte verläuft abgesehen von einer Wendung überraschungsfrei. Als Figur ist Robert Langdon ein Witz. Auf S. 375 steht z. B. im Klartext, wo es ab S. 589 weitergeht. Selbst ohne Griechischkenntnisse und mit wenig kulturellem Wissen hätte ein Laie dieses »Rätsel« durch Google in ein paar Sekunden gelöst. Im Buch verirren sich ein Harvard Professor auf seinem Spezialgebiet und eine superintelligente Frau in die falsche Stadt? Sie machen ernsthaft einen Umweg von 214 Seiten? Solche Brüche durchziehen das Buch. Manche Finten sind zu offensichtlich dazu da, naheliegende Lösungen loszuwerden und Action in die Handlung zu bringen. Dan Brown muss sich z. B. von Computern befreien, damit seine Erzählung nicht noch lächerlicher wird. Erst die letzten 80 Seiten sind ertrag- und lesbar. Der Rest ist ein Reiseführer, der mit Angstmache vor außergewöhnlich begabten Menschen durchzogen ist. Wie viele andere scheitert dieses Buch an seinen hyperintelligenten Figuren. Wieder einmal werden nur die Klischees verzweifelte Einsamkeit und Gefahr für alle »Normalos« bedient. 

Die Geschichte bietet brisanten Stoff. Dieser sollte tatsächlich bedacht werden. Solch eine Diskussion durch eine Erzählung niederschwellig zu vielen Menschen zu bringen, ist eine uralte Strategie. Grundsätzlich finde ich die Idee charmant, Orte, Kunst und Fragestellungen auf diese Art und Weise zu vermitteln. Im Stoff und in der Herangehensweise steckt Potential. Aber bitte achtsamer und intelligenter! Ich mag das Produkt aus Oberflächlichkeit, Holzhammermethode und Mobbing intelligenter Menschen nicht. Dass die Robert Langdon Reihe viele Fans hat und an der Kinokasse eine Seite wirtschaftlich glücklich macht, erkenne ich an. Offensichtlich gehöre ich nicht zu Dan Browns Zielgruppe der Robert Langdon Reihe. Freiwillig werde ich daraus keinen weiteren Roman kaufen. Mich beunruhigt der Dan Brown Hype.

»Inferno« wird eines Tages ins Kino kommen. Ich werde mir diesen Film nicht ansehen. Denn aller Erfahrung nach wird Hollywood dieser Vorlage das letzte bisschen Intelligenz austreiben und die einzige Überraschung vernichten.

-- Nachtrag November 2016

Hollywood kam, sah, trieb »Inferno« das letzte bisschen Intelligenz aus und vernichtete die einzige Überraschung.

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